Link-Tipps zum Datenjournalismus

In meiner täglich aktualisierten Linksammlung zum Thema Journalismus (mehr darüber lesen Sie im Artikel „Medien-Journalismus.de 27.500 Links später“) sammele ich natürlich auch Hinweise zum Thema Datenjournalismus. Mittlerweile haben sich hier rund 350 Links angesammelt, was mir positiv aufgefallen ist: Immer wieder berichten KollegInnen ausführlich über ihre Herangehensweise zum Thema Datenjournalismus. Natürlich werde ich dieses Sammlung weiter aktualisieren, Hinweise werden gerne aufgenommen.

“Kuratieren von Social-Media-Inhalten ist eine wichtige journalistische Service-Leistung”

Karsten Wenzlaff von "Die Trendblogger – Internationale Medientrends" hat ein kleines Interview mit mir geführt über das journalistische Kuratieren von Social Media-Inhalten: Bitte hier entlang:

 

Posted from Diigo. The rest of my favorite links are here.

Storify im Praxistest

Vor kurzem habe ich über das Kuratieren gebloggt und dabei auch Storify erwähnt, den Dienst der sich meines Erachtens am besten eignet, um Web-Inhalte zu Kuratieren. Bislang war Storify nur mit einem Invite zugänglich, jetzt ist die Public beta-Phase angelaufen. jeder, der will, kann sich einen Storify-Account besorgen. Ein guter Zeitpunkt, um einen genaueren Blick auf die Funktionalität zu werfen und ein paar Tipps fürs Storifying zu geben.

Mit „New Story“ geht’s los, es erscheint ein graues Kopffeld, in dem man einen Titel und einen Vorspann schreiben kann. Das Bildfenster ist erst mal leer. Wenn man später In die eigentliche Story Inhalte mit Bildern eingefügt hat, kann man das Bilder-Feld durchklicken und ein Wunschbild auswählen, das dann quasi als Teaser-Bild fungiert.

Einbetten verschafft Transparenz

Storify funktioniert ganz einfach nach dem Drag and Drop-Prinzip. Im linken Fenster wählt man die Web-Inhalte aus und zieht sie dann ins rechte Textfeld, wo man sie loslässt. Das Tool generiert dabei einen Embed-Code und zeigt das ausgewählte Stück wie im Original an. Das ist einerseits sehr authentisch, andererseits verschafft es Transparenz, weil der Urheber immer ersichtlich bleibt und auch verlinkt ist.

Es gibt eigentlich nichts, was man nicht auswählen kann. Eigene Suchfunktionen gibt es für die großen Tanker Twitter, Facebook, youTube und Flickr. Man kann aber auch RSS-Feeds oder jede x-beliebige URL eingeben.

Storify-Screenshot. Links das Auswahlfenster für Web-Inhalte, rechts die eigene Story
Storify-Screenshot. Links das Auswahlfenster für Web-Inhalte, rechts die eigene Story

So weit, so gut. Nun stehen die Inhalte in der Reihenfolge untereinander. Per Drag and Drop kann man das jederzeit verändern. Richtig interessant und zur eigentlich journalistischen Leistung wird die Story erst durch eine Kommentierung bzw Einordnung der Tweets, Bilder, Videos oder Seiten. Dazu gibt es ein unscheinbares Textfeld, das Dur h ein „T“ symbolisiert ist. Klickt man drauf, öffnet sich ein Drop-down-Fenster, in das man schreiben kann. Was, hängt von der Konzeption der Story ab. Verwendet man Storify zur Echtzeit-Berichterstattung, kann man den Verlauf einer Geschichte dokumentieren und die Quelle erläutern. Das ist vor allem bei auf den ersten Blick unbekannten Urhebern geboten, speziell bei privaten Bloggern und Twitterern. Vorher muss der gute Journalist natürlich überprüft haben, ob es sich um eine vertrauenswürdige Quelle handelt.

Bei der Echtzeitberichterstattung stellt sich natürlich die Frage, wo bzw. wann man aufhört. Eine kommentierte Story wird schnell lang und unübersichtlich. Und oft ist nicht absehbar, wie lange ein Thema weitergeht. Und mit zu vielen Stories will man den Leser ja auch nicht überschwemmen.

Ich habe Storify bei meinen Tests vor allem dafür verwendet, um die wesentlichen Etappen einer Geschichte zu dokumentieren und im Zweifelsfall eine neue Story gestartet. Hier mal ein Beispiel (danach geht die Anleitung weiter…)

Ich würde sagen: Weniger ist mehr, die journalistische Selektionskompetenz ist gefragt.

Es muss aber ja nicht immer der ganz große Wurf sein, dass man Inhalte aus dem gesamten social web (Twitter, Facebook, youTube und Flickr) aggregiert und einordnet. Man kann Storify auch dazu nutzen, einfach nur eine Blogschau oder eine kommentierte Linkliste (zu Homepages) zu verfassen. Beides sieht durch die Embed-Funktionalität ungleich besser aus als ein Artikel mit vielen Links in einem klassischen redaktionellen CMS.

Urheber mit einem Klick benachrichtigen

Wenn die Story dann fertig ist, kann man sie mit einem Klick veröffentlichen. Wer will, kann dabei alle Leute (auf Twitter), deren Content er eingebunden hat, per Reply-Funktion in Kenntnis setzen und so für mehr Aufmerksamkeit sorgen und den Mulitplikatoreneffekt im Netz nutzen. Logischerweise kann man die Story auch sofort auf Facebook und Twitter veröffentlichen. Was aber tun, wenn der Ressortleiter fragt: „schön und gut, wenn das auf Storify ist, aber ich will die Geschichte auf unserer Seite haben?“ Auch das ist kein Problem, es gibt einen Embed-Code, mit dem man die Story auf der eigenen Seite einbetten kann.

Storify ist sicher noch nicht 100%ig ausgereift, vielleicht kommt auch die eine oder andere neue Funktionalität hinzu, etwa, dass mehrere Autoren gleichzeitig eine Story erstellen können. Für den journalistischen Gebrauch ist das aber gar nicht nötig.

Wie sind Eure (journalistischen) Erfahrungen mit Storify? Für welche Art des Stotytellings nutzt ihr das?

Vertrauensfrage Wikileaks

Wie vertrauenswürdig ist Wikileaks? Welche anderen Leaking-Plattformen drängen auf den Markt? An wen wenden sich die Whistleblower? Und was bedeutet das für die Online-PR. Zu diesen Fragen referierten Thomas Mrazek und Bernd Oswald am Mittwoch im PresseClub München vor Gästen der Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bayerischen Journalisten-Verbands.
Vertrauensfrage Wikileaks weiterlesen

Mehrwert mit Links schaffen

Mit geringem Aufwand kann in Print und Online durch sinnvollen Einsatz von Hyperlinks ein echter Nutzen für Leser geschaffen werden.

„Wir brauchen im Informationsüberangebot des Internets mehr denn je Lotsen“, forderte im Sommer 2010 der Kommunikationswissenschaftler Stephan Russ-Mohl in einem Beitrag in Der Standard. Der Professor, der in Lugano das Europäische Journalisten-Observatorium (EJO) leitet, fordert von Journalisten und Verlagen, dass sie „uns tagtäglich neu davon zu überzeugen, dass ihre Berichterstattung, ihre Navigation durch den Info-Dschungel und ihr Service für uns unverzichtbar und ‚wertvoll‘ sind“. Russ-Mohls Forderungen sind freilich nicht neu, aber es schadet nicht, wenn sie dann und wiederholt werden und dereinst vielleicht sogar mehr Gehör finden. Denn allein wenn man den Umgang mit Hyperlinks bei deutschen Zeitungen betrachtet, besteht auch nach rund 15 Jahren journalistischer Aktivitäten im Netz noch Nachholbedarf.

Ein Negativbeispiel ist die Fränkische Landeszeitung (FLZ) aus Ansbach. Das Blatt, das aktuell (IVW 4/2010) auf eine verkaufte Auflage von 46.775 kommt, ist redaktionell im Netz überhaupt nicht vertreten. In der gedruckten Ausgabe ist es den Redakteuren nur in Ausnahmefällen erlaubt, Hinweise auf WWW- oder E-Mail-Adressen zu geben. Die praktisch Internet-freie Zeitung ist nicht nur für die Leser ärgerlich, sondern auch für andere Akteure, wie etwa die Ansbacher Volkshochschule, auf deren Website (mit Online-Anmeldemöglichkeit) nicht verwiesen werden darf. Warum die Zeitung so agiert, mag Chefredakteur Peter M. Szymanowski nicht erklären. „Zu internen Vorgängen“ nehme er nicht öffentlich Stellung, lässt er in einer – mit einer so genannten Angstklausel versehenen – E-Mail aus dem Sekretariat der FLZ-Geschäftsleitung ausrichten.

Die FLZ ist zwar eine unrühmliche Ausnahme, ein Blick in aktuelle Online- und Print-Ausgaben deutscher Zeitungen zeigt jedoch, dass die Möglichkeiten, Hinweise auf externe oder interne Seiten im Netz zu geben, immer noch nicht optimal ausgenutzt werden. „Verlinken Sie interessante Zusatzinformationen, intern und extern“, rät Peter Schink, Journalist und Gründer der Berliner Beratungsagentur Mediati: „Links sollte ein Redakteur dort setzen, wo sie für Leser einen Mehrwert bieten. Außerdem können Links zur Transparenz der journalistischen Leistung beitragen.“

Wie vielseitig Journalisten mit Links umgehen, lässt sich am besten anhand der Berichterstattung von Spiegel Online zur Loveparade-Katastrophe betrachten. Dabei bieten die Redakteure sowohl positive wie negative Beispiele: Die vorhandenen Texte zum Thema sind übersichtlich angeordnet und sprachlich zumeist eindeutig verlinkt. Innerhalb der Fließtexte werden nur die wichtigsten Texte verlinkt, so das der Lesefluß kaum gestört wird. Auf Verweise zu archivierten Beiträgen wird großer Wert gelegt – neben den Nutzern „freuen“ sich auch Suchmaschinen über so einen Seitenaufbau. Externe Links verweisen auf Dokumente, die wegen ihrer Authenzität für die Nutzer interessant sein könnten.

Hierbei gibt es allerdings Mängel, die auch bei anderen Websites immer wieder auftauchen: „Erklärung des Duisburger OBs“ – hier fehlt eine Datumsangabe; „Protokoll des Kulturausschusses vom 19.12.2009“ – hier fehlt noch der Hinweis auf die Stadt Duisburg, außerdem führt der Link nur auf eine Übersichtsseite der Stadt Duisburg, hier müsste ein direkter Link auf das entsprechende Dokument erfolgen, sonst muss der Nutzer selber weiter suchen. Es ist von Fall zu Fall natürlich immer wieder zu entscheiden, ob man nun unbedingt einen Link auf solche Dokumente setzt. „Zu viele Links führen eher zu Informationsüberreizung“, sagt Peter Schink.

Auch ethische Fragen spielen dabei eine Rolle. Soll man seine Nutzer etwa auf heikle Youtube-Videos zu einer Katastrophe hinweisen? Frank Schmiechen, stellvertretender Chefredakteur Welt-Gruppe, sagt: „Ein Redakteur muss in der Lage sein, selbstständig zu entscheiden, auf welche Angebote er verlinkt und auf welche eher nicht.“ Ein entsprechendes Regelwerk dazu gäbe es in seiner Redaktion nicht. Schink weist darauf hin, dass „fast alle Inhalte von den Lesern auch per Suchmaschinen gefunden werden können. Letztlich muss das jeder mit seinem Gewissen ausmachen. Aber so, wie manche Fotos nicht veröffentlicht werden sollten, sollten vielleicht auch manche Links nicht gesetzt werden.“

In Schmiechens Blatt, der Welt Kompakt, finden sich so viele Links wie in keiner anderen Tageszeitung: Ob die Twitter-Adressen von Redakteuren, Hinweise auf die eigenen Facebook- und Twitter-Angebote, sprechende URLs (welt.de/wacken), verkürzte Links auf externe Angebote oder so genannte QR-Codes für internetfähige Handys. „Wir versuchen, Welt Kompakt so intensiv wie möglich mit dem Internet zu verknüpfen“, sagt Schmiechen. Über andere Zeitungen wundere es sich manchmal: „Wie zögerlich, ja fast ängstlich und defensiv die mit dem Thema Internet umgehen“. So viele Seiten wie möglich mit Links, kann und sollte natürlich nicht das Maß der Dinge sein, aber dann und wann einen passenden, Mehrwert versprechenden Verweis auf eigene oder fremde Websites, wissen die zunehmend Internet-affinen und -interessierten Leser sicherlich zu schätzen. Auch die deutliche optische Hervorhebung von Linkverweisen wie etwa in der Augsburger Allgemeinen oder dem Kölner Stadt-Anzeiger wirkt auf den Leser angenehm.

Nutzerfreundlich

Gerade auf Kleinigkeiten sollte man beim Publizieren von Internet-Adressen etwa in der Print-Ausgabe Wert legen. So sollte man möglichst nur kurze, leicht übertragbare Adressen abdrucken. Hierzu ein Beispiel aus der Süddeutschen Zeitung vom 8./9. August 2010 dort wird unter „Hochwasser-Infos“ folgende Adresse genannt: www.wettergefahren.de/app/ws/index.jsp Mit einem so genannten URL-Verkürzer, wie etwa unter tinyurl.com, hätte man diese Adresse in wenigen Sekunden bequem umbenennen können: tinyurl.com/wettergefahren. Statt 38 Zeichen enthält die URL nun nur noch 26 Zeichen, wobei kaum noch Tippfehler passieren können. Wenn die Wunschadresse schon vergeben ist, müsste man sich allerdings mit der vorgebenen Buchstabenkombination des Verkürzungsdienstes behelfen: tinyurl.com/34n8d27 – die Gefahr, hier eine Zahl oder Buchstaben falsch abzutippen wächst.

Einen besseren Lösungsweg geht die Rhein-Zeitung. Die Koblenzer richteten sich im Sommer einen eigenen Verkürzungdienst ein – so wird aus einer 124 Zeichen langen URL, die automatisch generierte Adresse: ku-rz.de/ds. Sofern noch vorhanden lassen sich auch spezielle Adresse von Hand konfigurieren: ku-rz.de/jacqueline. Solche handlichen URLs lassen sich hervorragend bei Twitter und in der Zeitung verwenden. „Wir haben den Dienst eingeführt, um nicht Gefahr zu laufen, dass ein kommerzieller Verkürzer irgendwann einmal seinen Betrieb einstellt oder teures Geld für seine Dienstleistung verlangt“, erklärt der damalige (die Recherche für diesen Artikel erfolgte im August 2010) Online-Chef Jochen Magnus und ergänzt: „Natürlich treten wir viel lieber unter unserem eigenen guten Namen auf, dem unsere Leser vielleicht auch mehr vertrauen, als einem tinyurl oder ähnlichem. Hinter unseren Kurz-URLs verbirgt sich niemals eine Mogelpackung.“ Das Einrichten der bequemen ku-rz-Adresse sei nicht aufwändig gewesen, berichtet Magnus, er habe das Open Source-Angebot Yourls (Your Own URL Shortener, yourls.org) dafür verwendet. Ebenfalls mit verkürzten Adressen arbeiten etwa die Ruhr Nachrichten (siehe etwa bei Twitter) und DerWesten.

Transparenz durch Quellen-Links
Bei der Rhein-Zeitung fällt außerdem auf, dass hier und da bei Artikeln Originaldokumente, die für den Kontext relevant sind, zum Download angeboten werden. So finden sich etwa beim Artikel „IHK-Affäre: Prüfbericht leuchtet das System Podzun aus“ ein von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als „streng geheim“ klassifizierter Bericht über eine Sonderunteruntersuchung bei der IHK Koblenz (zum Teil sind Worte – wohl von der Redaktion – in diesem 38-seitigen PDF-Dokument geschwärzt worden) und eine Stellungnahme einer Betroffenen zu gegen sie und ihren Ehemann erhobenen Vorwürfen (das als PDF gekennzeichnete Dokument ist allerdings eine Microsoft-Word-Datei). Zu bemängeln ist hier allerdings, dass bei diesem Artikel nicht die ganze, archiviert vorhandene Vorgeschichte verlinkt wird.

Zu viel des Guten
Dass Texte durch zu viel Hyperlinks regelrecht verhunzt werden können, ist derzeit beim Online-Angebot der Süddeutschen Zeitung, Sueddeutsche.de zu beobachten. Dort werden seit dem Frühjahr 2010 automatisch Links innerhalb von Texten generiert. So finden sich in einem Kommentar von Heribert Prantl mit dem Titel „Roland Koch, der Unvollendete“ acht interne Links, die den Leser nicht nur wegen ihrer Anzahl eher irritieren. Der Link zum Namen Koch führt zu allen möglichen Artikeln, in denen eben dieses Wort vorkommt – der Leser landet dann mitunter bei einem Fernsehkoch. Der Klick auf den Link kann also zu Überraschungen führen – für die Nutzer eines Informationsangebotes erscheint das nicht zielführend. Rainer Kerl, Technischer Leiter bei Sueddeutsche.de, räumt ein, dass diese maschinelle Verschlagwortung noch „nicht perfekt“ sei. Primär sei sie ein „Service für die Nutzer“, freilich spiele auch der strukturierte Seitenaufbau etwa für Suchmaschinen wie Google eine Rolle: „Wenn wir beispielsweise in einem Ressort nur zehn Artikel angeteast haben und sich im Archiv jedoch 5.000 Artikel befinden, können diese durch intelligente Verschlagwortung doch für Google interessant sein“.

Bei anderen Angeboten scheint die automatische Verlinkung zumindest ansatzweise besser zu funktionieren. So setzt etwa die Münchner Abendzeitung auf ihrem Online-Angebot (www.abendzeitung.de) seit Juli eine Empfehlungs-Lösung des Berliner Unternehmens Plista GmbH ein. Zentrale Begriffe eines Textes werden dabei automatisch zu Links umgewandelt, die der Nutzer per Mouse over anschauen kann. Zusätzlich werden dabei laut Plista „Werbeformate, die sich an den Leseinteressen der Nutzer orientieren“ eingeblendet. „Online-Publisher können ihren Traffic durch empfohlene weiterführende Artikel um 5 bis 20 Prozent steigern und ihre Leserschaft somit länger binden“, verspricht Plista-Geschäftsführer Dominik Matyka. Zumindest ist die Trefferquote mit relevanten Links bei Abendzeitung.de höher als bei Sueddeutsche.de, aber es gibt trotzdem immer wieder Aussetzer – Links, die den Nutzer praktisch ins Nirvana führen.  Mittlerweile nutzen zahlreiche Online-Angebote die Plista-Lösung. Eine zwiespältige Lösung, aber der Zugewinn an Traffic und die erhöhte Nutzungsdauer dürften wohl die Nachteile bei der Nutzerfreundlichkeit der Angebote überwiegen. Qualitativ guter Online-Journalismus, der seinen Nutzern konsequent echten, journalistischen Mehrwert bieten will, sieht meines Erachtens anders aus.

Dieser Beitrag erschien in ähnlicher Form in der Ausgabe Nr. 10 des Magazins drehscheibe.

Thomas Mrazek

Mit geringem Aufwand kann in Print und Online durch sinnvollen Einsatz von Hyperlinks ein echter Nutzen für Leser geschaffen werden.

Wir brauchen im Informationsüberangebot des Internets mehr denn je Lotsen“, forderte im Sommer 2010 der Kommunikationswissenschaftler Stephan Russ-Mohl in einem Beitrag in Der Standard. Der Professor, der in Lugano das Europäische Journalisten-Observatorium leitet, fordert von Journalisten und Verlagen, dass sie „uns tagtäglich neu davon zu überzeugen, dass ihre Berichterstattung, ihre Navigation durch den Info-Dschungel und ihr Service für uns unverzichtbar und ‚wertvoll‘ sind“. Russ-Mohls Forderungen sind freilich nicht neu, aber es schadet nicht, wenn sie dann und wiederholt werden und dereinst vielleicht sogar mehr Gehör finden. Denn allein wenn man den Umgang mit Hyperlinks bei deutschen Zeitungen betrachtet, besteht auch nach rund 15 Jahren journalistischer Aktivitäten im Netz noch Nachholbedarf.

Ein Negativbeispiel ist die Fränkische Landeszeitung (FLZ) aus Ansbach. Das Blatt, das aktuell auf ein verkaufte Auflage von 47.000 kommt, ist redaktionell im Netz überhaupt nicht vertreten. In der gedruckten Ausgabe ist es den Redakteuren nur in Ausnahmefällen erlaubt, Hinweise auf WWW- oder E-Mail-Adressen zu geben. Die praktisch Internet-freie Zeitung ist nicht nur für die Leser ärgerlich, sondern auch für andere Akteure, wie etwa die Ansbacher Volkshochschule, auf deren Website (mit Online-Anmeldemöglichkeit) nicht verwiesen werden darf. Warum die Zeitung so agiert, mag Chefredakteur Peter M. Szymanowski nicht erklären. „Zu internen Vorgängen“ nehme er nicht öffentlich Stellung, lässt er in einer – mit einer so genannten Angstklausel versehenen – E-Mail aus dem Sekretariat der FLZ-Geschäftsleitung ausrichten.

Die FLZ ist zwar eine unrühmliche Ausnahme, ein Blick in aktuelle Online- und Print-Ausgaben deutscher Zeitungen zeigt jedoch, dass die Möglichkeiten, Hinweise auf externe oder interne Seiten im Netz zu geben immer noch nicht optimal ausgenutzt werden. „Verlinken Sie interessante Zusatzinformationen, intern und extern“, rät Peter Schink, Journalist und Gründer der Berliner Beratungsagentur Mediati: „Links sollte ein Redakteur dort setzen, wo sie für Leser einen Mehrwert bieten. Außerdem können Links zur Transparenz der journalistischen Leistung beitragen.“

Wie vielseitig Journalisten mit Links umgehen, lässt sich am besten anhand der Berichterstattung von Spiegel Online zur Katastrophe bei der Loveparade betrachten (tinyurl.com/spon-lopa). Dabei bieten die Redakteure sowohl positive wie negative Beispiele: Die vorhandenen Texte zum Thema sind übersichtlich angeordnet und sprachlich zumeist eindeutig verlinkt. Innerhalb der Fließtexte werden nur die wichtigsten Texte verlinkt, so das der Lesefluß kaum gestört wird. Auf Verweise zu archivierten wird großer Wert gelegt – neben den Nutzern „freuen“ sich auch Suchmaschinen über so einen Seitenaufbau. Externe Links verweisen auf Dokumente, die wegen ihrer Authenzität für die Nutzer interessant sein könnten. Hierbei gibt es allerdings Mängel, die auch bei anderen Websites immer wieder auftauchen: „Erklärung des Duisburger OBs“ – hier fehlt eine Datumsangabe; „Protokoll des Kulturausschusses vom 19.12.2009“ – hier fehlt noch der Hinweis auf die Stadt Duisburg, außerdem führt der Link nur auf eine Übersichtsseite der Stadt Duisburg (tinyurl.com/protokoll-duisburg), hier müsste ein so genannter Deep Link auf das entsprechende Dokument erfolgen, sonst muss der Nutzer selber weiter suchen. Es ist von Fall zu Fall natürlich immer wieder zu entscheiden, ob man nun unbedingt einen Link auf solche Dokumente setzt. „Zu viele Links führen eher zu Informationsüberreizung“, sagt Peter Schink. Auch ethische Fragen spielen dabei eine Rolle. Soll man seine Nutzer etwa auf heikle Youtube-Videos zu einer Katastrophe hinweisen? Frank Schmiechen, stellvertretender Chefredakteur Welt-Gruppe, sagt: „Ein Redakteur muss in der Lage sein, selbstständig zu entscheiden, auf welche Angebote er verlinkt ud auf welche eher nicht.“ Ein entsprechendes Regelwerk dazu gäbe es in seiner Redaktion nicht. Schink weist darauf hin, dass „fast alle Inhalte von den Lesern auch per Suchmaschinen gefunden werden können. Letztlich muss das jeder mit seinem Gewissen ausmachen. Aber so, wie manche Fotos nicht veröffentlicht werden sollten, sollten vielleicht auch manche Links nicht gesetzt werden.“

In Schmiechens Blatt, der Welt Kompakt, finden sich so viele Links wie in keiner anderen Tageszeitung: Ob die Twitter-Adressen von Redakteuren, Hinweise auf die eigenen Facebook- und Twitter-Angebote, sprechende URLs (welt.de/wacken), verkürzte Links auf externe Angebote oder so genannte QR-Codes für internetfähige Handys. „Wir versuchen, Welt Kompakt so intensiv wie möglich mit dem Internet zu verknüpfen“, sagt Schmiechen. Über andere Zeitungen wundere es sich manchmal: „Wie zögerlich, ja fast ängstlich und defensiv die mit dem Thema Internet umgehen“. So viele Seiten wie möglich mit Links, kann und sollte natürlich nicht das Maß der Dinge sein, aber dann und wann einen passenden, Mehrwert versprechenden Verweis auf eigene oder fremde Websites, wissen die zunehmend Internet-affinen und -interessierten Leser sicherlich zu schätzen. Auch die deutliche optische Hervorhebung von Linkverweisen wie etwa in der Augsburger Allgemeinen oder dem Kölner Stadt-Anzeiger wirkt auf den Leser angenehm.

Nutzerfreundlich

Gerade auf Kleinigkeiten sollte man beim Publizieren von Internet-Adressen etwa in der Print-Ausgabe Wert legen. So sollte man möglichst nur kurze, leicht übertragbare Adressen abdrucken. Hierzu ein Beispiel aus der Süddeutschen Zeitung vom 8./9. August 2010 dort wird unter „Hochwasser-Infos“ folgende Adresse genannt: www.wettergefahren.de/app/ws/index.jsp Mit einem so genannten URL-Verkürzer, wie etwa unter tinyurl.com, hätte man diese Adresse in wenigen Sekunden bequem umbenennen können: tinyurl.com/wettergefahren. Statt 38 Zeichen enthält die URL nun nur noch 26 Zeichen, wobei kaum noch Tippfehler passieren können. Wenn die Wunschadresse schon vergeben ist, müsste man sich allerdings mit der vorgebenen Buchstabenkombination des Verkürzungsdienstes behelfen: tinyurl.com/34n8d27 – die Gefahr, hier eine Zahl oder Buchstaben falsch abzutippen wächst.

Einen besseren Lösungsweg geht die Rhein-Zeitung. Die Koblenzer richteten sich im Sommer einen eigenen Verkürzungdienst ein – so wird aus einer 124 Zeichen langen URL, die automatisch generierte Adresse: ku-rz.de/ds. Sofern noch vorhanden lassen sich auch spezielle Adresse von Hand konfigurieren: ku-rz.de/jacqueline. Solche handlichen URLs lassen sich hervorragend bei Twitter und in der Zeitung verwenden. „Wir haben den Dienst eingeführt, um nicht Gefahr zu laufen, dass ein kommerzieller Verkürzer irgendwann einmal seinen Betrieb einstellt oder teures Geld für seine Dienstleistung verlangt“, erklärt Online-Chef Jochen Magnus und ergänzt: „Natürlich treten wir viel lieber unter unserem eigenen guten Namen auf, dem unsere Leser vielleicht auch mehr vertrauen, als einem tinyurl oder ähnlichem. Hinter unseren Kurz-URLs verbirgt sich niemals eine Mogelpackung.“ Das Einrichten der bequemen ku-rz-Adresse sei nicht aufwändig gewesen, berichtet Magnus, er habe das Open Source-Angebot Yourls (Your Own URL Shortener, yourls.org) dafür verwendet. Ebenfalls mit verkürzten Adressen arbeiten etwa die Ruhr Nachrichten und DerWesten.

Bei der Rhein-Zeitung fällt außerdem auf, dass hier und da bei Artikeln Originaldokumente, die für den Kontext relevant sind, zum Download angeboten werden. So finden sich etwa beim Artikel „IHK-Affäre: Prüfbericht leuchtet das System Podzun aus“ ein von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als „streng geheim“ klassifizierter Bericht über eine Sonderunteruntersuchung bei der IHK Koblenz (zum Teil sind Worte – wohl von der Redaktion – in diesem 38-seitigen PDF-Dokument geschwärzt worden) und eine Stellungnahme einer Betroffenen zu gegen sie und ihren Ehemann erhobenen Vorwürfen (das als PDF gekennzeichnete Dokument ist allerdings eine Microsoft-Word-Datei). Schade, dass bei diesem Artikel nicht die ganze, archiviert vorhandene Vorgeschichte verlinkt wird.

Zu viel des Guten

Dass Texte durch zu viel Hyperlinks regelrecht verhunzt werden können, ist derzeit beim Online-Angebot der Süddeutschen Zeitung, Sueddeutsche.de zu beobachten. Dort werden seit dem Frühjahr automatisch Links innerhalb von Texten generiert. So finden sich in einem Kommentar von Heribert Prantl mit dem Titel „Roland Koch, der Unvollendete“ (tinyurl.com/koch-sz) acht interne Links, die den Leser nicht nur wegen ihrer Anzahl eher irritieren. Der Link zum Namen Koch führt zu allen möglichen Artikeln, in denen eben dieses Wort vorkommt – der Leser landet dann mitunter bei einem Fernsehkoch. Der Klick auf den Link kann also zu Überraschungen führen – für die Nutzer eines Informationsangebotes erscheint das nicht zielführend. Rainer Kerl, Technischer Leiter bei Sueddeutsche.de, räumt ein, dass diese maschinelle Verschlagwortung noch „nicht perfekt“ sei. Primär sei sie ein „Service für die Nutzer“, freilich spiele auch der strukturierte Seitenaufbau etwa für Suchmaschinen wie Google eine Rolle: „Wenn wir beispielsweise in einem Ressort nur zehn Artikel angeteast haben und sich im Archiv jedoch 5.000 Artikel befinden, können diese durch intelligente Verschlagwortung doch für Google interessant sein“.

Bei anderen Angeboten scheint die automatische Verlinkung zumindest ansatzweise besser zu funktionieren. So setzt etwa die Münchner Abendzeitung auf ihrem Online-Angebot (www.abendzeitung.de) seit Juli eine Empfehlungs-Lösung des Berliner Unternehmens Plista GmbH ein. Zentrale Begriffe eines Textes werden dabei automatisch zu Links umgewandelt, die der Nutzer per Mouse over anschauen kann. Zusätzlich werden dabei laut Plista „Werbeformate, die sich an den Leseinteressen der Nutzer orientieren“ eingeblendet. „Online-Publisher können ihren Traffic durch empfohlene weiterführende Artikel um 5 bis 20 Prozent steigern und ihre Leserschaft somit länger binden“, verspricht Plista-Geschäftsführer Dominik Matyka. Zumindest ist die Trefferquote mit relevanten Links bei Abendzeitung.de höher als bei Sueddeutsche.de, aber es gibt trotzdem immer wieder Aussetzer – Links, die den Nutzer praktisch ins Nirvana führen. Mittlerweile nutzen zahlreiche Online-Angebote die Plista-Lösung. Eine zwiespältige Lösung, aber der Zugewinn an Traffic und die erhöhte Nutzungsdauer dürften wohl die Nachteile bei der Nutzerfreundlichkeit der Angebote überwiegen. Qualitativ guter Online-Journalismus, der seinen Nutzern konsequent echten, journalistischen Mehrwert bieten will, sieht meines Erachtens anders aus.

„After The War“: Audioslideshow advanced

Am 6. Dezember wurde der Deutsche Reporterpreis vergeben. In der Kategorie „Beste Web-Reportage“ hat Felix Seuffert mit seiner Audio-Slideshow „After The War“ gewonnen. Dabei ist es die Reportage, die das Schicksal eines vor dem Bürgerkrieg in Kongo nach Südafrika geflohenen Fußballprofis erzählt, gar keine reine Audioslideshow, sondern enthält mindestens genauso viele Video-Elemente.

Preiswürdig ist „After The War“ aus mehreren Gründen:

  1. Die intelligente Verknüpfung von Video und Fotos: Carol Machumu, der Protagonist, kommt meist in einem Nahaufnahmen-Video zu Wort. Manche seiner Aussagen werden aber mit Fotos dokumentiert, während der Ton weiterläuft. Die Bilder, zum Beispiel von seiner Arbeit als Parkplatzwächter, sind oft schnell hintereinandergeschnitten, so dass Seuffert und sein Team keine Ken-Burns- oder andere Effekte brauchen, um auch den optischen Fluss der Geschichte zu gewährleisten. Immer wieder wird intelligent zwischen Videosituation und Fotos aus Carols Leben hin- und hergeschnitten.
  2. Emotionale Nähe, die aber nie aufdringlich ist: Carol Machumus Leben ist eine traurige, ergreifende Geschichte: Sein Vater wurde im Bürgerkrieg getötet, seine Mutter ist verschwunden, er floh nach Südafrika, wo er viel Rassismus begegnet und beim unterklassigen Fußballclub Camps Bay von vorne anfangen muss. Diese Geschichte wird durch die traurige französische (und deutsch untertitelte) Stimme Carols sehr authentisch und nachfühlbar. Weil der Kongolese ziemlich leise spricht, muss man sich gut auf seine Stimme konzentrieren – für mich wurde die Slideshow so noch eindringlicher. Auch die immer wieder sparsam eingesetzte melancholische Klavierpassage erfüllt hier ihren dramaturgischen Effekt.
  3. Ausdrucksstarke Fotos: Felix Seuffert studiert Fotojournalismus, insofern ist das natürlich ein Heimspiel für ihn. Dennoch ist die Slideshow voll von hervorragend komponierten, künstlerischen Fotos, z.B. wenn er am Boden eines Hausflurs sitzt.

Felix Seuffert: "After The War". Carol Machumu sitzt am Boden eines Flurs.
Felix Seuffert: "After The War". Carol Machumu sitzt am Boden eines Flurs.

Ob „After The War“ die beste Web-Reportage ist, kann ich mangels Kenntnis der anderen eingereichten Arbeiten nicht beurteilen.

In jedem Fall handelt es sich um eine sehr sehr gut gemachte Audioslideshow. Sich die viereinhalb Minuten anzusehen beutetet viereinhalb Minuten multimedialen Genuss.