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Journalismus&Netz im Januar: Spiegel-Fusion, Hass gegen Journalisten, Reuters Trend Report

Im Januar gab es einige Relaunches, prominente Journalisten wehren sich gegen Hate Speech, die New York Times gewinnt eine Million Digital-Abonnenten und prominente Journalisten geben ihre Zukunftsprognosen ab.

Markenstrategie, Layout, CMS: Alles neu beim Spiegel

Spiegel Online zählte zu den Pionieren des deutschen Online-Journalismus. Am 25. Oktober 1994 ging der Online-Ableger des Nachrichtenmagazins online und etablierte sich schnell als eine der führenden Nachrichtenseiten im Netz (auch wenn Spiegel Online immer wieder vorgeworfen wurde, viel boulevardesker als das Mutterblatt zu arbeiten). Die 25-jährige Geschichte als eigene Marke ist mit Beginn dieses Jahres zu Ende gegangen. Der Spiegel tritt nun als einheitliche Marke auf, und zwar ganz egal, ob als gedrucktes Magazin oder auf den diversen digitalen Ausspielkanälen. Was sich der Spiegel bei seiner neuen Markenstrategie (oder Markenführung, Markenarchitektur, Markenleitbild) gedacht hat, wird im Dev Blog des Hauses auf Medium erläutert. Dort gibt es auch einen Artikel, der sich speziell mit dem digitalen Relaunch der Hauses befasst und einen über das dort eingeführte Content Management System Polygon.

Wer lieber einen Blick von außen auf die Verzahnung der Spiegel-Redaktion und die Neuerungen beim digitalen Spiegel lesen will, ist mit dieser Zusammenfassung von Daniel Bouhs für den Deutschlandfunk gut bedient.

Journalist: Der Chefredakteur ist jetzt auch der Verleger

Ebenfalls im neuen Gewand erscheint der journalist, das Magazin des Deutschen Journalisten-Verbandes DJV. Nicht nur das Design und die Rubriken sind neu, sondern auch der Verleger: Chefredakteur Matthias Daniel hat den journalist im Rahmen eines Management-Buyouts vom New Business Verlag übernommen. Die Hintergründe dazu stehen bei Meedia.

Media Pioneer: Steingart holt eine Reihe Digitalexperten an Bord

Im Frühjahr 2020 will Gabor Steingart, langjähriger Spiegel- und Handelsblatt-Redakteur, sein neues Medienunternehmen Media Pioneer starten. Die Versprechungen sind groß: „100 Prozent Journalismus. Keine Märchen“ lautet der Slogan. Die Redaktion ist im Aufbau, Chefredakteur ist Michael Bröcker, den Steingart wie den Digitaljournalismus-Experten Daniel Fiene von der Rheinischen Post geholt hat. Nun ist bekannt geworden, dass auch Tech-Journalist Richard Gutjahr, der gerade im Unfrieden vom Bayerischen Rundfunk geschieden ist, bei Media Pioneer anheuert. Er soll dort für das Tech-Briefing schreiben und als Bewegtbild-Berater tätig sind. Diese und weitere Media Pioneer-Personalien hat Meedia zusammengefasst.

Hass im Netz: Kazim und Diekmann schildern ihre Erfahrungen

Hass im Netz ist leider immer noch ein sehr großes Problem und es gibt eine Reihe von Journalist*innen, die davon betroffen sind. Zum Beispiel der langjährige Spiegel-Reporter Hasnain Kazim. Er hat in seinem Berufsleben schon viele Beleidigungen ertragen müssen, besonders schlimm ist es aber, seit er als Reaktion auf das 23,4 Prozent-Ergebnis der AfD bei der Thüringer Landtagswahl schrieb, man müsse AfD-Wähler „ausgrenzen, ächten und kleinhalten“. Seitdem hat Kazim mehrere Tausend Zuschriften mit massiven Beleidigungen und fast 400 Morddrohungen erhalten. Auf Zeit Online schildert Kazim, wie er damit umgeht, was ihm Freunde und Kollegen raten und warum er trotzdem weiter öffentlich auftreten will.

Seit Sie am Neujahrstag 2019 „Nazis raus“ twitterte und ironisch „jeden, der nicht die Grünen wählt“ als Nazi definierte, hat auch die ZDF-Hauptstadtstudio-Reporterin Nicole Diekmann mit masssiven Anfeindungen und Beleidigungen zu kämpfen. In einem Gastbeitrag für den journalist beklagt sie, dass für ihren Geschmack viel zu viele Kolleg*innen im Umgang mit den sozialen Netzwerken nicht fit sind.  Sie fordert, dass wir Journalist*innen „Twitter und Facebook nicht dem Mob überlassen dürfen“.

Kritik am Jury-Modus beim Deutschen Podcastpreis

Podcasts sind nach wie vor voll en vogue, ständig erscheinen neue journalistische Podcast-Formate, wie zum Beispiel der Tagesschau-Zukunfts-Podcast „Mal angenommen“. Im März wird erstmals der Deutsche Podcastpreis verliehen. Jeder kann sich bewerben, eine Crowd-Jury sichtet die Einreichungen. Angesichts der großen Masse kann die Jury aber gar nicht alles richtig sichten, wie manche Jurymitglieder auch offen einräumen. Deswegen findet Stefan Niggemeier auf Übermedien, dass der Deutsche Podcastpreis, so wie er jetzt gestaltet ist, eine Fehlkonstruktion ist.

New York Times gewinnt eine Million Digital-Abonnenten

Zeitungsverlage tun sich fast überall schwer, mit Inhalten online Geld zu verdienen. Eine der prominenten Ausnahmen ist die New York Times, bei der das digitale Geschäft 2019 so stark gewachsen ist wie noch nie, nämlich auf mehr als 800 Millionen Dollar, was einer Verdopplung innerhalb von vier Jahren entspricht. Allein 2019 wurden mehr als eine Million neuer Digital-Abos abgeschlossen. Nils Jacobsen ordnet die Zahlen auf Meedia ein und schreibt, dass die Abo-Zuwächse auch mit dem Gebaren und den aberwitzigen „Fake-News“-Vorwürfen von US-Präsident Donald Trump zu tun haben.

Solche Zahlen sind alleine aufgrund des kleineren Marktes in Deutschland nicht zu erzielen, aber auch hierzulande gibt es einige Beispiele für Verlage, die ihre Digitalabo-Verkäufe kontinuierlich steigern. Die Süddeutsche Zeitung ist inzwischen bei 95.000 Digitalabos angekommen. Auf kress.de sind die Artikel aufgelistet, die bei der SZ und beim Handelsblatt die meisten Leser zum Abschluss eines Abos animiert haben.

Reuters Trend Report

Kein Jahresbeginn ohne Trend-Prognosen. Zu den renommiertesten Ausblicken zählt der „Journalism, Media and Technoly Trends and Predictions 2020“-Bericht des Reuters Institute an der Universität Oxford, kurz Reuters Trend Report 2020. Darin geht es unter anderem um etwas zuversichtlichere Geschäftserwartungen, die Beziehungen zwischen Journalismus und den großen Plattformen, mehr Diversität in den Redaktionen, den schwer zu monetarisierenden Audio-Boom und den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Journalismus. Meedia hat den Bericht auf deutsch zusammengefasst, das Reuters Institute bietet eine englischsprachige Zusammenfassung und natürlich den Bericht im Original.

Was Social-Media-Experten von 2020 erwarten

Schon zum fünften Mal hat Social-Media-Experte Jörgen Camrath eine Reihe von Kolleg*innen gebeten, ihre Erwartungen für das kommende Jahr aufzuschreiben, darunter auch einige Journalisten wie Dennis Horn, Dirk von Gehlen, Martin Hoffmann oder Richard Gutjahr. Netterweise stellt Camrath gleich eine tl;dr-Version an den Anfang:

  • Die One-Facebook-Page-fits-all-Zeiten sind vorbei
  • Der verantwortungsvolle Umgang mit Nutzerdaten wird immer wichtiger
  • TikTok spielt eine bedeutende Rolle – bleibt für viele Medienhäuser aber irrelevant
  • Die Jugend wird sich im Netz weiter politisieren
  • Die Bedeutung von Spotify als Podcast-Hub wird weiter zunehmen
  • Aggregatoren nehmen eine immer wichtigere Rolle als Traffic-Quelle ein
  • Eine Form der politisch eingesetzten Ignoranz wird die Debatten beeinflussen
  • Der Megatrend zum Vertikalen setzt sich fort
  • Der rechtliche Rahmen für unser digitales Medienumfeld nimmt Gestalt an
  • Das lineare Fernsehen wird noch radikaler von Streamingdiensten bedroht
  • Die fabelhafte Geschichte der großen Reichweiten ist endgültig vorbei

Den kompletten Ausblick (Lesezeit etwa eine halbe Stunde) gibt es auf seinem Blog.

Online-Kurs: Wie erkenne ich manipulierte Inhalte

Ich schließe diesen Rückblick mit einer Empfehlung: Die Nachrichtenagentur Reuters erklärt in einem dreiteiligen Online-Kurs, wie Online-Inhalte manipuliert werden, wie man Deep Fakes erkennt und was Redaktionen tun können, um manipulierte Inhalte zu bewältigen.

Dieser Artikel erschien zuerst im Torial-Blog.