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Journalismus&Netz im Oktober: Google umgarnt die Medien, staatliche Presseförderung, Instagram überholt Facebook

Diese Ausgabe stellt Googles Aktivitäten, auf unterschiedlichen Wegen die Medien zum Freund zu gewinnen in den Fokus. Außerdem geht es um die staatliche Presseförderung in Deutschland und die wichtigsten Erkenntnisse der ARDZDF-Onlinestudie. 

Google zahlt freiwillig Lizenzgebühren – an ausgewählte Verlage

Im Oktober stand Googles Verhältnis zum Journalismus mehrmals in den Medien-Schlagzeilen. Zum einen wegen der Ankündigung, Verlagen weltweit in den kommenden drei Jahren eine Milliarde US-Dollar (das sind rund 855 Millionen Euro) für die Einbindung von Verlagsinhalten auf Google News zu zahlen. 

Zum anderen wegen einer Studie, die untersucht, wie Google Medienverlage mit Mitteln der Digital News Inititative umgarnt. 

Fangen wir mal mit dem neuen Dienst “Google News Showcase” an. Dabei handelt es sich um eine zusätzliche Funktion innerhalb der Google News-Suche, in dem “qualitativ hochwertige, journalistische Artikel dargestellt werden, für die Google Lizenzgebühren bezahlt”, wie es im Google Blog heißt

Für so genannten „Story Panels“ können teilnehmende Medien (in Deutschland sind das zum Start 50 Publikationen aus 20 Medienhäusern wie „Zeit“, T-Online und Spiegel) eigene Inhalte auswählen und mit Kontext sowie weiterführenden Links anreichern. Diese Story Panels werden Google-News-Nutzern in ihren personalisierten Feeds angezeigt.  

So soll Googles Showcase-Funktion auf dem Smartphone aussehen. Bild: Google.

Darüber hinaus erwirbt Google auch Lizenzen an Artikel aus kostenpflichtigen Angeboten einzelner Verlage, um sie den Leser:innen kostenlos anbieten zu können – wenn Verlage das wollen, denn es besteht damit auch ein bisschen die Gefahr, dass sie auf diese Weise ihre kostenpflichtigen Abonnements unterminieren. 

Unklar ist weiterhin, welcher Verlag nach welchen Kriterien wie viel Geld für die Teilnahme bekommt. Und auch welche Verlage überhaupt mitmachen dürfen und nach welchen Kriterien Google das wiederum auswählt. 

Springer und SZ machen nicht mit

Nicht dabei sind zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung und der Axel Springer-Verlag. Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner erklärte schon früh, Googles „Geschenke an die Verlage“ nicht annehmen zu wollen. Der US-Konzern solle lieber das auf Druck der deutschen Presse geschaffene Leistungsschutzrecht für Presseverlage achten und die Verlage auf diesem Weg kofinanzieren.

Womit wir wieder beim Leistungsschutzrecht wären. Das ist ja Teil der EU-Urheberrechtsreform, die bis Mitte 2021 in nationales Recht umgesetzt werden soll. Kürzlich erschien ein Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium und dort ist auch geregelt, wie lang der Vorschau-Text in den Google-Snippets sein darf. In den bisherigen Entwürfen war Vorschautext für bis zu acht Wörter lizenzierungsfrei. Diese konkrete Zahl ist jetzt weggefallen, erlaubt sind „einzelne Wörter oder sehr kurze Auszüge“. Diese vage Formulierung entspricht wörtlich der Formulierung in der EU-Richtlinie und dürfte nach Ansicht von Experten noch Gerichte beschäftigen. Diese Änderung kam wohl auf Druck von Kanzleramt und Wirtschaftsministerium zustande, die beide gut mit der Verlegerlobby vernetzt sind.

Digital News Initiative: Wer hat, dem wird gegeben

Google versucht schon seit längerer Zeit, Verlage gewogen zu stimmen. Ein Mittel dabei ist die “Digital News Initiative”, mit der Google die Erforschung und Entwicklung neuer Medienformate unterstützt. In den vergangenen fünf Jahren hat Google weltweit dafür 150 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt. Wie sich das Geld verteilt, steht im Abschlussbericht der der “Digital News Initiative” (DNI). 

Einen deutlich kritischeren Blick auf die DNI wirft die Studie “Medienmäzen Google – wie der Konzern den Journalismus umgarnt”, die Ingo Dachwitz und Alexander Fanta für die gewerkschaftsnahe Otto-Brenner-Stiftung erstellt haben. Von den DNI-Mitteln profitiert haben den Autoren zufolge vor allem etablierte deutsche Großverlage wie der Spiegel, die Wirtschaftswoche und das Handelsblatt. 

Dachwitz sieht das sehr problematisch: „Google stößt in eine Lücke vor, die die Verlage in Sachen Innovation offengelassen haben. Da ist so ein bisschen die Haltung: Der Journalismus braucht eigentlich jede Hilfe, die er kriegen kann, und kann deshalb auch nicht wählerisch sein, von wem es Geld gibt”, sagt er dem NDR. Dachwitz und Fanta folgern aus ihrer Studie sechs Thesen zum Verhältnis von Google und Medienlandschaft:

1. Googles Medienförderungen ist ein strategisches Instrument für die Zwecke des Konzerns.

2. Das Google-Geld weckt bei Journalistïnnen Sorgen vor korrumpierender Nähe.

3. Die Google-Förderungen stärken das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen den Medienhäusern.

4. Die Medienbranche büßt durch Googles Fördergelder für Forschung und Kongresse die Fähigkeit zur eigenständigen Selbstreflexion ein.

5. Google versucht, zur dominanten technologischen Plattform für das Nachrichtenökosystem zu werden.

6. Förderungen müssen offengelegt werden und es braucht Alternativen zum Google-Geld.

Ich habe selber schon am einen oder anderen Google-Training teilgenommen, prinzipiell teile ich aber die Thesen der beiden und die damit verbundene Sorge, dass sich Verlage, aber auch (junge) Journalisten zu abhängig von Google machen könnten.

Google bietet neue Tools für Journalisten

Google hat eine Reihe von (mit Mitteln aus der Digital News Initiative geförderten) Tools, die auch Journalisten gut gebrauchen können, auf der Seite “Journalist Studio”  zusammengefasst. Viele davon wie das Tool Flourish haben mit Datenauswertung und -visualisierung zu tun. 

Es schadet meines Erachtens nicht, diese Tools mal auszuprobieren, um herauszufinden, welches für die eigene Arbeit sei es als Freier Journalist oder auch in der Redaktion nützlich sein könnte. Denn eines muss man Google lassen: Das Unternehmen ist innovativ und experimentierfreudig. Auf der anderen Seite sollten Journalisten immer auch nach Alternativen schauen, um sich nicht zu abhängig von Google zu machen und nie die Frage “Warum macht Google das?” aus den Augen verlieren (siehe die sechs Thesen von Dachwitz und Fanta). 

Verlage bekommen 180 Millionen für Digital-Investitionen

Schneller als an mögliches Geld aus dem Leistungsschutzrecht werden deutsche Verlage an Mittel der staatlichen Presseförderung kommen. Im Juli hatte der Bundestag eine Förderung von bis zu 220 Millionen Euro auf mehrere Jahre verteilt beschlossen. Jetzt gibt es ein konkretes Konzept des Wirtschaftsministeriums: 180 Millionen davon sollen bereits 2021 fließen und zwar für Investitionen, die Verlage in den Ausbau ihrer digitalen Aktivitäten investieren wie zum Beispiel der Aufbau von Online-Shops, Rubrikenportalen und Apps. Nach welchen Kriterien das Geld an einzelne Verlage verteilt werden soll und was die Reaktionen darauf sind, steht im Hintergrundartikel des Deutschlandfunks. 

Mediennutzungstudie: Instagram überholt Facebook

Eine der gerade für Deutschland relevantesten Studien zur Mediennutzung ist die ARDZDF Onlinestudie. Die jüngste Ausgabe fördert zutage, dass Instagram Facebook überholt hat, wenn auch nur ganz knapp: 15 Prozent der Menschen in Deutschland nutzen Instagram täglich. Facebook kommt nur noch auf 14 Prozent. Twitter, Twitch und auch das gerade so angesagte TikTok sind laut der Studie nur Nischendienste, TikTok angeblich auch nur bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. TikTok selbst sagt, dass man sich zu einem Massenmedium entwickle, das auch bei älteren Menschen gut ankomme. Bei den Messengern ist WhatsApp der unangefochtene Marktführer. 

Bei den genutzten Medien gewinnen Audio und Video weiter an Bedeutung – zu Lasten der Texte. Besonders beliebt sind Streaming-Plattformen wie Netflix und Spotify. Mediatheken legen zwar auch zu, aber eher bei älteren Personen. Eine gute und übersichtliche Zusammenfassung der Studie gibt es auf dem WDR-Blog “Digitalistan”, auf der Übersichtsseite zur Onlinestudie gibt es zahlreiche weiterführende Links etwa zu Infografiken oder einzelnen Aspekten der Mediennutzung. 

BR bekommt erstmals eine Intendantin

An dieser Stelle passt auch gut die Nachricht, dass Katja Wildermuth zur neuen Intendantin des Bayerischen Rundfunks gewählt worden ist. Zu ihren wichtigsten Aufgaben wird es gehören, den trimedialen Umbau des BR voranzutreiben und den BR auch für jüngere Zielgruppen interessanter zu machen. Das Handelsblatt hat einen Hintergrundbericht zu Wildermuths Karriere und den anstehenden Aufgaben. 

Podcast-Kurs zu Medieninnovationen

Im Rahmen der Münchner Medientage fand auch die Innovation Week des Media Lab Bayern statt. Hier gab es vier Kurse mit einer Reihe von praktischen Tipps, wie man Medieninnovationen in die Tat umsetzt: Wie man neue Ideen findet, ein neues Geschäftsmodell kreiiert, einen datengetriebenden Newsroom aufbaut oder eine Innovationsstrategie findet. Die zugehörigen Podcast-Folgen (fünf pro Kurs) sind hier abrufbar. 

Nach welchen agilen Prinzipien die Entwicklungsredaktion des BR arbeitet, erklärt meine Kollegin Manuela Baldauf in diesem Blogpost.  

Gigantische OSINT-Toolsammlung 

Zum Abschluss gibt es noch ein paar Hundert Tooltipps. Ja, richtig gelesen. Über den sehr empfehlenswerten Podcast des OSINT-Curious-Kollektivs bin ich auf die größte mir bekannte Sammlung von OSINT Tools gestoßen: Das OSINT-Handbook 2020 der Schweizer Unternehmensberatung I-Intelligence listet in einem 500 Seiten starken pdf Tools für alle möglichen Arten der Informationsgewinnung auf: (Social-Media-)Suchmaschinen, Personensuche, Unternehmenssuche, Suche im Dark Web, Foto- und Videoanalyse, Datenvisualisierung oder Tools zur Geolokalisierung, um nur ein paar Kategorien zu nennen. Nachteil: Es handelt sich um eine unkommentierte Linksammlung, aber vielleicht ist die eine oder andere gute Anregung dabei.