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Umgang mit Rechten im Netz: Sollen Journalisten für positive Narrative zuständig sein?

Auf einigen re:publica-Panels ging es um die Frage, warum Rechtspopulismus im Netz so erfolgreich ist und was die Gesellschaft, was der Journalismus dagegen tun kann. Eine Forderung war: Wir brauchen genauso gute Narrative wie die Rechten. Aus journalistischer Sicht halte ich das für problematisch.

Auf der re:publica 2018 habe ich einige Podien besucht, die sich mit der Frage beschäftigt haben, warum die (Neuen) Rechten im Netz so erfolgreich sind – und was man dagegen tun kann. Am besten fand ich den Vortrag der österreichischen Publizistin Ingrid Brodnig zum Thema „Warum sind die Rechten so hip im Netz?“, den ich auch gerne als Video verlinke:

Darüber hinaus fand ich diese Panels interessant:

Es würde zu weit führen, hier über alle vier Veranstaltungen im Einzelnen zu berichten, aber das sind für mich die wichtigsten Take-Aways:

  1. Rechtspopulistische Strategien passen gut zur aufgeheizten Stimmung im Netz: Rechtspopulisten arbeiten mit Verschwörungstheorien, klassische Medien springen darauf auf.  Ihre emotionalisierenden Postings rufen mehr Reaktionen hervor als sachliche. Besonders gilt das auf Facebook, dessen News-Feed-Algorithmus emotionale Postings bevorzugt anzeigt.
  2. Rechtspopulisten sind technikaffin und gerade online besonders gut vernetzt. Die Discord-Gruppe Reconquista Germanica mit ihren konkreten Handbüchern zur Stimmungsmache im Netz (z.B. mit abgesprochenen Hashtags) ist nur ein prominentes Beispiel dafür.
  3. Rechtspopulisten sind beharrlich. Sie bleiben an ihren Themen länger dran als etablierte Parteien, die oft nur im Vorfeld einer Wahl online aktiv sind und dann nicht mehr. (Aktuelles Beispiel: Martin Schulz).
  4. Rechtspopulisten haben die besseren Narrative: Besser im Sinne von, dass sich ihre Legenden besser verbreiten, immer häufiger auch über Memes wie Pepe, the Frog. Sie arbeiten geschickt mit Framing.
  5. Faktenchecks sind gut und wichtig, aber mit Fakten allein gewinnt man keine Diskussionen. Selbst wenn man die Falschbehauptungen von Rechtspopulisten widerlegt, wirken ihre Narrative. Wer gegen rechte Stimmungsmache ankommen will, braucht auch eine überzeugende Erzählung.
  6. Die Rechtspopulisten stärken ihre kollektive Identität dadurch, dass sie beständig die etablierten Medien herabwerten: „Was erzählt die Tagesschau heute wieder für Lügen? Wenigstens sagt die AfD die Wahrheit!“
  7. Rechte setzen immer stärker auf ihren eigenen Medien. Die FPÖ praktiziert das in Österreich schon sehr erfolgreich und ist hier ein Vorbild für die AfD, die gerade viele Ressourcen in den Ausbau ihrer Online-Medienpräsenz steckt.
  8. Der Kampf gegen rechtspopulistische Agitation muss sich nicht auf sachliche und faktische Ansätze beschränken. Auch Satire wie bei der von Jan Böhermann initiierten Reconquista-Internet-„Love-Troll-Army“ kann ein Mittel sein.

Sehr unbequeme Befunde, wie ich finde. Gerade für Journalisten. Die Anwürfe von Rechts werden nicht weggehen. Und als Journalist kann man es auch nicht verhindern, dass Rechtspopulisten im Netz Stimmungsmache gegen Minderheiten machen.

Besonders schwer tue ich mich mit dem Befund, dass die Wirkung von Faktenchecks so begrenzt ist bzw. Falschbehauptungen sogar noch verstärken kann. Journalismus, wie ich ihn gelernt habe, zeichnet sich eben durch Fakten, Hintergründe und Erklärungen aus. Die Forderung nach einem positiven Narrativ klingt gut, aber ist das eine Aufgabe von Journalisten? Ich finde, dass sie dann Partei ergreifen und Aktionismus Gift für seriösen Journalismus ist. Das Propagieren positiver Narrative ist eher eine Aufgabe der Zivilgesellschaft.