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SZ auf dem iPad: multimedial top, interaktiv ein Flop

So sieht die Startseite einer iPad-Ausgabe aus. Die Navigation links ist immer präsent

Vier Monate nach dem SZ-Magazin geht nun auch die Süddeutsche Zeitung selbst mit einer eigenen iPad-App an den Start: Die Benutzerführung ist logisch, optisch ist die App ansprechend, es wird auch viel multimedialer Mehrwert geboten. Schade ist nur, dass die App in sich abgeschlossen ist und auch kein Feedback erlaubt.

„Wer die Süddeutsche Zeitung mag, wird diese App lieben“ – mit dieser steilen und vor Selbstbewusstsein strotzenden These bewirbt der Süddeutsche Verlag auf sueddeutsche.de den Start seiner mit Spannung erwarteten iPad-App. Was die digitale SZ so liebenswert machen soll, wird auch gleich erklärt:

Tablet-Nutzer können die Zeitung von morgen bereits am Vortag von 19 Uhr an lesen und multimedial erfahren. Interaktive Grafiken erklären auf Knopfdruck komplexe Zusammenhänge, die Texte sind um Bildergalerien und Videos erweitert. Und wenn die Kanzlerin mal wieder bis spät in die Nacht hinein tagt, erfahren Sie das auch – denn die digitale SZ wird zwischen 23 und 24 Uhr aktualisiert.

Das stimmt im Prinzip alles, aber ob das schon für eine Liebesbeziehung reicht?

Dass die Zeitung kurz nach Produktionsschluss digital zur Verfügung steht, ist ja beim E-Paper auch schon so. Dazu braucht es kein iPad. Für das multimediale Nutzungserlebnis natürlich schon und da haben sich die Münchner einiges einfallen lassen:

  • Mehrere Video-Kolumnen: In „Global betrachtet“ erklärt Außenpolitik-Ressorteiter Stefan Kornelius im Interview mit Multimedia-Chefin Ruth Klaus die Bedeutung der Euro-Rettung, Filmkritiker Fritz Göttler bespricht in seiner „Popcorn“-Kolumne Kinofilme (er wird dabei manches mal etwas arg gekünstelt im Split-Screen-Style in die Filmausschnitte hineingeschnitten). Weitere Video-Kolumnen sollen SZ-Koryphäen wie Heribert Prantl oder Hans Leyendecker erhalten. Die drei bis vier Minuten langen Videos lockern auf jeden Fall auf und liefern weitere Einsichten.
  • Bildergalerien: gibt es zum einen als feste Rubrik „Bilder des Tages“ auf der Startseite und in ausgewählten Artikeln. Solide, nichts wirklich Außergewöhnliches. Praktisch ist das Feature, dass man die Galerien auch im geöffneten Artikel durchblättern kann.
  • Interaktive Infografiken: davon habe ich erst eine gesehen, zur Verschuldungsquote der Euro-Staaten: man kann einzelne Länder anklicken und bekommt dann ein Balkendiagramm. Ok, kann man machen, nice to have, aber zumindest dieses Beispiel löst den Anspruch, „auf Knopfdruck komplexe Zusammenhänge zu erklären“ nicht ein. Mal sehen, was da in Zukunft kommt.
  • Das „Streiflicht“ zum Anhören: Hier liest ein offensichtlich ein professioneller Sprecher die aktuelle Glosse vor. Man kann das gut anhören, aber man erfährt nicht, wer der Sprecher ist. Der Autor ist es wohl nicht, denn das ist ja ein gut gehegtes Geheimnis. Authentischer wäre es natürlich schon.

All diese Multimedia-Inhalte werden mit speziellen Icons gekennzeichnet.

Magazin ist in der App an Bord

Die Benutzerführung ist einfach: die einzelnen Ressorts stehen in einer linken Navigation (die sich leider nicht ausblenden lässt, womit man Platz zum komfortableren Lesen gewinnen würde). Man kann einzelne Artikel antippen und innerhalb eines Ressorts von einem Artikel zum nächsten blättern (oder analog zum nächsten Ressort bzw. zur nächsten Seite). Ein „Zurück“-Pfeil führt auf die Ressortseite zurück, ein Liniensymbol zum Kiosk, in dem man alle geladenen Ausgaben und gemerkte Artikel (das geht über einen Favoriten-Knopf) auf einen Blick sieht. Hier befindet sich freitags auch das aktuelle SZ-Magazin, das man natürlich ebenfalls bekommt (jedoch auch weiterhin separat kaufen kann).

So weit ist also alles ziemlich gut, Punktabzüge gibt es aber für die fehlende Interaktivität: die App ist nicht an einer Stelle mit dem Online-Angebot von sueddeutsche.de verknüpft. Das würde sich bei Online-Spezialen, weiterem multimedialen Content oder bei Diskussionsforen anbieten – so wie das der SPIEGEL in seiner App macht. Auch bei Feedback-Möglichkeiten heißt es: Fehlanzeige. Die Artikel können nicht kommentiert werden. Das einzige, was aus der sonst in sich abgeschlossenen App rausführt, ist die Mailfunktion, mit der man Artikel verschicken kann. Noch nicht mal eine Facebook- oder Twitter-Integration gibt es.

Es wäre interessant zu erfahren, warum man sich für eine solche abgeschlossene Lösung entschieden hat (Anfrage läuft). Hängt das mit der Zielgruppe zusammen? Wen will man bevorzugt ansprechen: bisherige Abonnenten? Sollen die dazu bewogen werden die iPad-App on top zu nutzen? (dafür sind noch keine Preise angegeben). Oder von Print auf  iPad umsteigen (das iPad-Monatsabo kostet 29,99 Euro, etwa ein Drittel weniger als die Printausgabe). Oder will man Neukunden jüngeren Semesters gewinnen? Letztere dürften schon Wert auf Interaktivität legen und mit dieser Form eher nicht zu locken sein.

Ich bin gespannt auf die Reaktionen des Publikums – und auf die Weiterentwicklung der App.

Die iPad-App der SZ im Kurzüberblick:

Plus:

  • übersichtliche Navigation
  • multimediale Inhalte (Streiflicht als Audio, Video-Kolumnen)
  • Aktualisierung am Vorabend
  • günstiger als die Zeitung
  • SZ-Magazin inklusive

Minus:

  • keinerlei Feedback-Möglichkeit
  • null Vernetzung mit sueddeutsche.de

Die wichtigsten Features der App als Screenshot-Bildergalerie:

 

Disclaimer: Ich habe von 2001-2009 als Redakteur bei sueddeutsche.de gearbeitet. 

Dieser Artikel ist ein Crosspost von www.onlinejournalismus.de

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