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TSV 1860 München: Die Medien sind ein ständiger Unruheherd

Der TSV 1860 München ist abgestiegen, an der Grünwalder Straße herrschen chaotische Zustände.  Die Münchner Sportmedien weiden sich an hochkochenden Emotionen und Schuldzuweisungen statt Lösungsansätze aufzuzeigen.

Der TSV 1860 München zählt zu den bekanntesten Sportvereinen in Deutschland. Seit mehr als zehn Jahren macht er aber vor allem wegen seines chronischen Missmanagements Schlagzeilen – das jetzt mit dem Zwangsabstieg von der 2. in die 4. oder sogar 5. Liga gipfelt. Um die Art, wie die Schlagzeilen um diesen (Chaos-Kult-)Verein entstehen, soll es heute gehen.

Seit jeher steht der TSV 1860 unter Beobachtung von fünf Münchner Zeitungen: Süddeutsche Zeitung, Münchner Merkur, tz, Abendzeitung und Bild München. Seit gut 20 Jahren auch durch deren Online-Redaktionen. Und 2011 ist das Blog dieblaue24 des ehemaligen AZ-Redakteurs Oliver Griss dazugekommen. Dazu kommt natürlich noch die Fußball-Fachpresse.

Das ist also ziemlich viel mediale Aufmerksamkeit für einen Fußballklub, der ein Dasein im Schatten (und im Stadion) des übermächtigen Rivalen FC Bayern führen muss. Nun berichtet die Presse auch über den FC Bayern, aber der ist erstens tausend Mal erfolgreicher und zweitens viel rigoroser, was die Abschottung von den Medien betrifft (ohne dass ich das befürworte).

Ich verfolge die Geschicke der Löwen seit gut 25 Jahren und wenn es eine Konstante im Verein gibt, dann ist es die Unruhe im Umfeld. Und diese Unruhe wird ganz stark durch die Medien geschürt. Ja, die Medien tragen eine Mitschuld daran, dass es beim TSV 1860 so chaotisch zugeht. Ich will aber nicht alle über einen Kamm scheren, sondern differenzieren – am Beispiel der vergangenen Wochen.

Es dominiert negativer Verlautbarungsjournalismus

Münchner Merkur und tz gehören beide zum Münchner Zeitungsverlag und arbeiten seit der Fusion der Lokalredaktionen im Juni 2016 auch online sehr eng zusammen. Im Falle des TSV 1860 sogar so eng, dass die Artikel identisch sind, wie man auf den TSV 1860-Seiten von 1860-Seite des Münchner Merkur und tz sieht. Merkur und tz informieren mit hoher Schlagzahl über jeden neuen Nachrichten-Schnipsel zu den Löwen, greifen die Facebook-Posts von Hasan Ismaik und Löwenfans auf. Komplett selbst recherchierte oder exklusive Stücke sind die Ausnahme, wie das Interview mit dem inzwischen zurückgetretenen Geschäftsführer Ian Ayre. Tendenziell dominieren Verlautbarungs-Journalismus, wenn ein Vereinsfunktionär, Politiker, Spieler, oder ganz besonders einer der mittlerweile fast 80-Jährigen „Meisterlöwen“ von 1966 mal wieder einen rausgehauen haben. Darüber berichten Merkur und tz auch, wenn das auf einem anderen Kanal passiert ist;  immerhin geben sie dabei die Quelle an.

Relativ ähnlich liegt der Fall bei der Abendzeitung, die meines Erachtens noch etwas besser den Überblick bewahrt. Aber auch hier dominieren Negativschlagzeilen.

Süddeutsche Zeitung bildet die wohltuende Ausnahme

Die Bild-Zeitung hat auf jeden Fall mehr exklusive Inhalte, so weit man das im Online-Zeitalter noch sagen kann. Zumindest ist die Bild-Redaktion oft die schnellste, wenn es um Neuigkeiten beim TSV 1860 geht. Aber Bild wäre nicht Bild, wenn es nicht auch die alarmierendsten Schlagzeilen hätte. Als etwa militante 1860-Fans im Relegations-Rückspiel gegen Regensburg Sitzschalen und Stangen auf das Spielfeld warfen, war tagelang von der der „1860-Schande“ die Rede. Und den massiven Unmut großer Teile der Fans goß die Bild sogar in die Seite 1- Schlagzeile „Schleich Di, Scheichli“.

Die Süddeutsche Zeitung hat das geringste Artikelaufkommen zu den Löwen. Wenn aber etwas geschrieben wird, dann hat es Hand und Fuß und liefert fast immer deutlich mehr Hintergründe und Kontext als die Berichte der Kollegen. Als erstes Medium berichtete die SZ von dem 6 Punkte-Ultimatum von Investor Ismaik. Auch der meiner Meinung nach beste Rückblick auf die Turbulenzen der letzten Jahre kam von der SZ. Und die Seite 3-Reportage vom 1. Juni ist ein hervorragendes Sittengemälde über die zerrissene Stimmungslage im Verein.

Ein Sonderfall ist die Blaue24, das Blog von Oliver Griss (46), der nach eigener Aussage seit 28 Jahren über die Löwen berichtet, die meisten davon bei der Abendzeitung. Als es dort nach einer Kündigungswelle für ihn nicht mehr weiterging, zog er 2011 dieblaue24.com hoch. Griss bezeichnet sich selbst als Fan, was für eine unvoreingenommene Berichterstattung problematisch ist. In der Fanszene gilt er als Anhänger von Hasan Ismaik, was man auch vielen seiner Berichte anmerkt, den er direkt oder indirekt verteidigt. Jüngstes Beispiel: das Interview mit dem zurückgetretenen Löwen-Präsidenten Peter Cassalette, der seinerseits als Ismaik-Botschafter galt (übel meinende Zungen sprechen von einer Ismaik-Marionette). Dieses Interview ist ein Paradebeispiel für den weit verbreiteten Negativismus in der 1860-Berichterstattung Münchner Medien: Es geht in erster Linie um Schuldzuweisungen an andere Akteure. Und die Kollegen der anderen Medien (mit Ausnahme der SZ) zitieren das dann wieder (von den Aktivitäten der jeweiligen Fanlager ganz abgesehen). So wird der Negativismus noch vielfach verstärkt.

Bitte berichtet lösungsorientierter!

Ganz klar: Beim TSV 1860 ist in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren sehr sehr viel schief gelaufen. Es gab so viel Missmanagement wie bei kaum einem anderen Club. Darüber muss die Presse natürlich berichten. Aber das sollte viel öfter als bisher um eine konstruktive Komponente ergänzt werden. „Problem talk creates problems, solution talk creates solutions“, sagte der amerikanische Psychotherapeut Steve de Shazer. Statt sich auf die Wiedergabe der Versäumnisse und Schuldzuweisungen im Verein zu beschränken, sollten die Münchner Sportmedien viel öfter Fragen wie diese beantworten:

  • Wie können die Gesellschafter der KGaA wieder zusammenfinden?
  • Wie können die verfeindeten Fanlager wieder zusammenfinden?
  • Wer käme als Brückenbauer in Frage?
  • Wie will sich der Verein in Zukunft definieren?
  • Welche Rolle spielen dabei die Ergebnisse der groß angelegten Fan-Umfrage vom Frühjahr 2017?
  • Welche ähnlichen Beispiele gibt es von anderen Vereinen?
  • Wie haben sie die Spannungen zwischen Kommanditgesellschaft und Stammverein gelöst?

Klar geht das nicht in jedem einzelnen Artikel. Aber öfter als bisher auf jeden Fall. Ich habe das Gefühl, dass die Münchner Medien irgendwie an ihrem TSV 1860 hängen und es lieber sähen, wenn es ihm sportlich und wirtschaftlich besser ginge. Ich bin überzeugt, dass sie ihren Teil dazu beitragen könnten, wenn sie sich weniger auf die Konflikte im Verein und mehr auf Ansätze zur Lösung derselben konzentrieren würden. Mehr Ruhe im (medialen) Umfeld wäre das, was der TSV 1860 am besten gebrauchen könnte – gerade jetzt.

5 Gedanken zu „TSV 1860 München: Die Medien sind ein ständiger Unruheherd“

  1. Sorry, aber die Empfehlungen am Schluss sind Unfug.
    Ausgewogene, über Hintergründe informierende Berichterstattung – klar, das ist sinnvoll.
    Aber „lösungsorientierte Berichterstattung“ – wie soll das aussehen, wenn es keine Lösungen gibt, über die berichtet werden kann?
    Journalisten sind keine Supervisoren oder Mediatoren, und schon gar keine (Unternehmens-)Berater. „Lösungen“ müssen von den Beteiligten kommen, nicht von den Medien! (Was nicht ausschließt, dass auch ein Journalist in einem Kommentar eine gute Idee ventilieren könnte – aber letztlich nur da. Kern einer „Berichterstattung“ kann das aber niemals sein.)

    1. Stimmt, Journalisten sind keine Unternehmensberater. Habe ich auch nicht gesagt. Klar, müssen sich die Gesellschafter selber zusammenraufen. Aber die Journalisten könnten viel stärker nach Lösungen fragen, den Blick mehr in die Zukunft richten. Aktuell dominiert der Blick zurück, die Medien geben gerne persönlichen Angriffen Raum. Und ich sehe überhaupt nicht, warum gute Ideen nur auf Kommentare beschränkt sein sollten.

  2. Einer der besten Artikel den ich zur Thematik meines Clubs den Münchner Löwen, je gelesen habe!
    So wie in den 1970er Jahren, als Nuggis noch über Sechzig berichtete!

    1. Danke sehr! Ich habe Ende der Neunziger als AZ-Praktikant ein paarmal das Löwenstüberl besucht und dabei natürlich auch Thomas Nuggis getroffen. Er war immer sehr gut informiert und vernetzt.

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